Demmentrich

Im stern erschien heute folgender Artikel:
Sprecher nennt Alternativsuche „Phantomdebatte“
http://www.stern.de/politik/deutschland/neuer-streit-um-stuttgart-21-sprecher-nennt-alternativsuche-phantomdebatte-1967599.html

Im folgenden möchte ich auf verschiedene Behauptungen des Artikels eingehen.
Nun bin ich zwar kein Bahnexperte, aber das ist Dietrich auch nicht. Dafür spielt er gut Golf und ich habe einen wachen Verstand.

Beginnen wir ganz am Anfang:
Das Titelbild.
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Wir sehen S21, wie es ganz zu Beginn den Leuten präsentiert wurde. Ein Appetitmacher sozusagen. Der Südflügel steht noch, ein weit überwölbtes Glasdach, das viel Licht in den Keller lässt und die Vermutung, dass die alt ehrenwürdigen Bäume im Schlossgarten stehen bleiben werden.
Statt dessen bekommen wir sowas hier, fernab von den früher propagierten Entwürfen:

ingenhoven real2

 

 

 

 

 

 

 

„Für eine andere Variante gibt es keine politischen Mehrheiten, keine Machbarkeitsstudie, keine Finanzierung – es gibt nichts“

Hier stürze ich mich direkt auf die politischen Mehrheiten. Nächstes Jahr ist Gemeinderatswahl, spätestens da ist die politische Mehrheit für S21 verloren!
Die Machbarkeitsstudie lass ich mal außen vor, wobei sie für die Sanierung des bestehenden Kopfbahnhofs keine Rolle spielt. Auch neue Planfeststellungsverfahren würden nicht nötig, maximal Raumordnungsverfahren.
Das ist natürlich für die Bahn doof, weil sie horrent hohe Planungskosten verbuchen darf. (Allein 2010 machte die DB 2 Mrd Euro Gewinn mit reinen Planungskosten)
Was ich goldig finde ist die Aussage, es gäbe keine Finanzierung für eine Alternative. Denn, auch Stuttgart21 ist aktuell ohne gültige Finanzierung!
Ganz nebenbei bemerkt drängt sich mir immer wieder die Frage auf, wo die Gelder hin verschwunden sind, die der Bahn jährlich für Sanierungsarbeiten zustehen. In den Kopfbahnhof wurde ca. 15 Jahre lang kein Pfennig bzw. Cent gesteckt. Was ist mit diesen Geldern geschehen? In wessen Sackerl sind die gelandet?

„Nach Berechnungen der Bahn wären das mindestens zwei Milliarden Euro, die sich vor allem aus der Rückabwicklung des an die Stadt Stuttgart verkauften Gleisfeldes errechnen“

Ich versteh beim besten Willen nicht, wie dieser Betrag zusammenkommt.
2011 rechnete uns die Bahn ihre sogenannten Ausstiegskosten vor. Hierunter fiel laut der S21-Macher auch der Rückkauf des Gleisvorfelds von der Stadt Stuttgart.
Der Einfachheit halber lasse ich Schusters Super-Deal aus der Rechnung raus, der die Bahn bis 2010 mit Zinserlass beschenkte und mit einem satten Gewinn von 212 Mio Euro für die Bahn und die Wirtschaftlichkeitsrechnung von S21 zu Buche schlug (Im Prinzip gehört dieses „Gschenkle“ aber auch auf die Rechnung).
Die Kosten für die Grundstücke beliefen sich auf 424 Mio.Euro. Die 5,5 Prozent Zinsen für den ohne Gegenleistung 2001 bezahlten Kaufpreis machen ca. 250 Mio. Euro aus. Ergibt ganz grob eine Summe von 700 Mio. Euro. Abzüglich der Grundstücke rund um den Nordbahnhof, die die Stadt behalten wird, sind wir bei etwa 600 Mio. Euro. Die fehlenden 1,4 Milliarden sind nicht nachvollziehbar!
Und da die Bahn, was die Ausstiegskosten betrifft, ebenfalls gerne von „worst-case“-Szenarien ausgeht, tu ich das an dieser Stelle auch: Was ist wenn die Gleise nicht rückgebaut werden dürfen weil die Privaten Bahnen diese noch weiter nutzen und der Rückbau bestehender Infrastruktur sowieso verboten ist? Was dann Herr Dietrich?
Desweiteren sind durch S21 diverse Grundstücke für die nächsten 25 Jahre blockiert, die bei einer Sanierung des Kopfbahnhofs ab sofort bebaut werden könnten.

„außerdem aus möglichen Schadensersatzforderungen der bereits mit Aufträgen betrauten Baufirmen“

Auch hier frage ich mich: Wer hat das zu verantworten? Die Bahn hat die Ausschreibungen trotz oder gerade wegen dem großen Widerstand in der Bevölkerung voran getrieben. Egal ob während der Schlichtung, kurz vor dem Volksentscheid – die Ausschreibungen mussten sein.
Das Kosten in die Höhe jagen und Faktenschaffen vollzieht die Bahn immernoch. Trotz der aktuellen Diskussion und Unklarheit, werden noch in diesem Monat 120 Bäume in Stuttgart gefällt. Das Vergabe-Volumen der verschiedenen Bauwerke ist seit Ewigkeiten bei über 50%, und wenn man sich hier auf der Folie 6 der Bahn schlau macht, sieht man, dass 40% des Budgetwerts noch ausstehen, allerdings erst ab 2014.

Vergabe

Was das Kündigen von Verträgen mit Baufirmen betrifft, ist die Bahn sicherlich kein großes Risiko eingegangen. Wälzt sie doch gerne sämtliche Risiken von sich ab. Aus Ingenieurskreisen hört man, dass nur wirklich aufgetretener Schaden geltend gemacht werden kann. Dieser schrumpft bis zur Bedeutngslosigkeit zusammen, wenn man den Firmen geeignete Ersatzaufträge gibt.

„Der Ausstieg ist ein hundertprozentiges Minusgeschäft“

..für die Bahn

„bei einem Weiterbau gibt es dagegen einen neuen Bahnhof mit mehr Leistung“

Dass dies erstunken und erlogen ist, wissen wir spätenstens seit die SMA den Stresstest durchgeführt hat und die Note gut seitens der Bahn ersatzlos gestrichen wurde, so dass der Bunkebahnhof mit der hingeschummelten Bewertung „optimal“ plötzlich eine gute Bewertung hat.

„In den Ausstiegskosten seien nicht einmal die 1,3 Milliarden Euro enthalten, die zur Sanierung des maroden Gleisvorfeldes benötigt werden“

Nun ja, die Frage wo das Geld für die Sanierung des Kopfbahnhofs hin ist, habe ich mir oben bereits gestellt.
Anton Hofreiter stellte 2010 fest, dass die Deutsche Bahn seit der „Privatisierung“ 1/4 Billion Euro aus dem Deutschen Schienennetz gezogen hat um Manager-Träume wahr zu machen. Die Bahn, ein Global Player, der die bundeseigene Infrastruktur auf Verschleiß fährt und verkommen lässt!
Wann endlich findet also eine Razzia bei der Bahn statt? Wann greift die Politik in diese Veruntreuung ein? Wann bitteschön wird das Zwitterdasein der Bahn (je nach Vorteil mal Privatunternehmen und dann doch wieder Bundeseigentum) beendet?

[für den Umbau des Kopfbahnhofs] „Dafür sind sicherlich acht Jahre Reparaturarbeiten zu veranschlagen – und das bei laufendem Betrieb im Hauptbahnhof.“

Diese Frage kann Dietrich nicht ernsthaft beschäftigen, oder doch?!!!
Wo sind die Ingenieure und Spezialisten, die alles beherrschen können?
Abgesehen davon ist es seit 2010 deutlicher als jemals zuvor zu sehen was der Kopfbahnhof leistet auch wenn diverse Gleise nicht befahrbar sind. Der aktuell untragbare Zustand im HBF Stuttgart, der einzig durch die übereilten und unprofessionellen Abrissmaßnahmen und den Pfusch im Gleisvorfeld zustande kam, wird mit S21 (mindestens) bis 2024 dauern! Zudem wird es auch kein angenehmes Reisen oder Berufspendeln sein, wenn erst einmal die Baustraße durch den Bonatzbau führt.

Also Herr Dietrich,
sollten Sie Rückfragen oder Lust auf eine Partie Golf haben, melden Sie sich!

P.S.: der stern hat das Titelbild des Artikels umgehend korrigiert
Es wäre wünschenswert Ingenhoven würde dies mit seiner Website auch tun und Aidlinger&Wolff würde die alten Entwürfe entsprechend kennzeichnen

Tunnelgail

Das B10-Tunnel

Jeder Autofahrer kennt es zur Genüge: Die Einfallsschneiße nach Stuttgart ist quasi täglich verstopft. Deshalb, so die einfacher gestrickten unter uns, brauchen wir breitere Straßen bzw. mehr Fahrspuren. So war gewissen Leuten schnell klar, dass die B10 dringend ausgebaut werden müsse, damit ein Jeder mit seinem « Heiligen Blechle » ins Städtle -pardon: in die City- fahren kann.

Der Ausbau der B10 wurde zunächst 2006 mit dem Pragsatteltunnel begonnen und brachte eine weitere Spur auf der Heilbronnerstraße in Richtung Innenstadt.

Ein Jahr zuvor, also 2005, beschlossen die Herren des Stuttgarter Gemeinderats, dass die B10 zwischen den Straßenbahnhaltestellen Rosensteinpark und Wilhelma unter dem Rosensteinpark verschwinden soll.

2008 wurden die Pläne fürs Rosensteintunnel vorgelegt, 2010 öffentlich ausgelegt.

Als sich 2011 Bedenken wegen der ohnehin skandalös verunreinigten « Luft » in Stuttgart mehrten, ruderte die Stadtverwaltung zurück und gestand ein, dass der Schwerlastverkehr in der super-seriösen Prognose falsch eingeschätzt wurde1. Der LKW-Verkehr in der Prognose, die von der Stadt Stuttgart, der IHK Stuttgart und dem Regionalverband in Auftrag gegeben wurde, ist viel zu hoch ausgefallen.

Die Legitimation des 200 Millionen Euro Projekts basiert also (wie so oft in Stuttgart) auf falschen Zahlen, die eine Notwendigkeit unnützer Bauten vortäuschen sollen.

Der sogenannte Baubürgermeister Hahn, dessen Posten meiner Meinung nach dringend sehr zeitnah neu besetzt werden sollte, verkündete im folgenden Januar 2011 überraschend die Neuauslegung der Pläne. Man sei damals vom « worst-case » ausgegangen und eigentlich sei es ja gut, da die Luft dann weniger belastet würde, wurde argumentiert.

Dass aber die vorgeschobene Notwendigkeit des Baus (erheblich mehr LKW-Verkehr) damit entfallen ist, wollte keiner der Zuständigen hören.

Es fahren nun also angeblich weniger LKW als in der seriösen Prognose vorgerechnet und die Schadstoffwerte in Zuffenhausen wurden bei der Abstimmung überhaupt nicht beachtet2.

Da der Tunnel das allgemeine Verkehrsaufkommen etwa verdreifacht3, spielt das Argument der Luftbelastung aber nach wie vor eine große Rolle!

Konsequenzen aus dem pseudo-notwendigen Projekt

Für Nutzer des öffentlichen Verkehrs:

Der Bau des Tunnels hat natürlich Konsequenzen für alle Nutzer der Straßenbahn: Das Tunnelportal Süd liegt direkt unter der heutigen Haltestelle « Wilhelma » auf Höhe des Elefantenstegs. Deshalb muss die SSB diese dauerhaft verlegen und zwar direkt vor das denkmalgeschützte Wilhelmaportal. Das Tunnelportal Nord stört die bestehende Haltestelle « Rosensteinpark ». Sie muss deshalb Richtung Rosensteinbrücke versetzt werden.

Während der Bauzeit (ab Frühjahr 2013) dürfen sich alle Straßenbahnfahrer bereits auf Chaos jenseits von Stuttgart21 freuen, denn sowohl im Bereich des Leuze als auch rund um die Wilhelma wird die U14 über lange Zeiträume nur eingleisig verkehren können. « Übereckverbindung von der König-Karl-Brücke in Richtung Wilhelma wird mehrmals über mehrere Monate hinweg gar nicht befahrbar sein. Ein- und Ausrücker müssen in dieser Zeit an den Mineralbädern kehren »4,

Für die Anwohner:

Lärm während der Bauzeiten, auch an Sonntagen und Nachts.

Sollte das Bahnprojekt Stuttgart21 wider jeder Vernunft umgesetzt werden, erwarten die Anwohner in diesem Bereich außerdem nächtliche Sprengarbeiten und ca. 2400 LKW täglich5

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c Josh Eikhoff

Für Besucher des Rosensteinparks:

Der B10-Tunnel ist eine riesige Bedrohung für den denkmalgeschützten Rosensteingarten, einen der letzten englischen Landschaftsgärten in Süddeutschland. Ein Kleinod, das zahlreichen Tieren einen Lebensraum bietet.

http://rosenstein.infooffensive.de/index.php?page=Tiere

Stuttgarter lieben und nutzen ihn gerne, Paare verewigen ihre Namen in Parkbänken und Baumrinden bei romantischen Spaziergängen, Familien, Radfahrer, Spaziergänger und Jogger fühlen sich hier wohl. Und er ist ein Anziehungspunkt für Touristen!

Mit den geplanten B10-Maßnahmen verliert Stuttgart einen weiteren Park, der die Lebensqualität und Schönheit dieser Stadt ausmacht! Nicht allein die Fällarbeiten bedrohen den teilweise sehr alten Baumbestand.

Der Rosensteinpark wurde auf einem Fels errichtet, dem Kahlenstein. Um an das Grundwasser heran zu kommen, haben die Bäume dort außergewöhnlich tiefe Wurzeln. Welche Konsequenzen der Tunnelbau für die Bäume haben wird, liegt auf der Hand.

rosensteinpark 2008 c Martina Schlerka

c Martina Sclerka

Auch hier diente ein falsches Gutachten dem Durchwinken von Entscheidungen

http://www.lnv-bw.de/ib2011-12/20111031-Wurzelerkundung.pdf

Was den Bau des Tunnels angeht, hat die Stadt Stuttgart hier eine Menge Pläne zusammengestellt http://www.stuttgart.de/rosensteintunnel#headline50f1969cd6394

Ich persönlich kann einen großen Teil davon nicht mehr öffnen. Daher stelle ich den Konfliktplan und den Landschaftspflegerischen Begleitplan in den folgenden Links nochmals zum Download zur Verfügung:

Konfliktplan

http://ge.tt/7V3keGV/v/0

Landschaftspflegerischer Begleitplan/ Maßnahmenplan

>http://ge.tt/2D0DzDV/v/0

Diese Karte von Bruno Baumann gibt eine gute Übersicht zur Lage und Tiefe des Tunnels

http://ge.tt/3gRzfGV/v/0

Wir brauchen keine zusammengelogene Stadtautobahn für Stuttgart, die den Verkehr zusätzlich erhöht und damit die eh schon feinstaubgeplagte Stadt noch mehr belastet. Statt dessen brauchen wir neue Ideen, wie diese Problematik in den Griff zu kriegen ist. Ganz sicher ist das Fällen und dauerhafte Bedrohen von Bäumen diesem Ziel nicht dienlich!

Ich wünsche mir, dass der Rosensteinpark eine grüne Oase für Tiere und Menschen bleibt

1vgl.: http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2827129_0_5820_-rosensteintunnel-bebauungsplan-erneut-ausgelegt.html

2vgl.:http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2809448_0_2147_-kommentar-im-dauerstreit.html

3vgl.: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.rosensteintunnel-in-stuttgart-neuer-bebauungsplan-bis-zum-sommer.09b7cc0f-de90-48b9-bb9b-bfe57065e02b.html

4siehe: http://www.ssb-ag.de/U14-Haltestelle-Wilhelma-474-0.html

5vgl.: http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2701208_0_9223_-rosensteinviertel-die-furcht-vor-staub-und-laerm.html

Das Layout dieses Blogs bitte ich zu entschuldigen (WP macht gerade was es will..)